Die Geschichte des Dosenstroms am Beispiel
der Großstadt Essen
Heute kommt der Strom aus der Steckdose, das ist für alle selbstverständlich.
Kaum jemand weiß aber noch, wie vor 100 Jahren alles anfing. Die ersten
Kilowattstunden Strom wurden damals in Essen noch in Flaschen verkauft. Eine
Flasche Wechselstrom kostete im Jahr 1898 eine Reichsmark. Damit konnte man
immerhin ca. vier Wochen lang eine 25-Watt-Birne betreiben. Flaschenstrom wurde
in Essen noch bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges verkauft. Aber bis dahin
war der relativ teure Flaschenstrom ein Privileg für die wohlhabenderen
Bevölkerungsschichten.
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Flaschenstromwerbung aus dem Jahr 1927
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Das änderte sich schlagartig nach dem zweiten Weltkrieg,
als die Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) den ersten Dosenstrom im
Essener Norden an den Mann bzw. die Frau brachten.
Ganz in der Nähe der "Villa Hügel" entstand Anfang der
50er Jahre die größte vollautomatische Dosenstrom-Abfüllanlage Deutschlands.
Viele Essener können sich noch an die gute alte Dosenstrom-Zeit erinnern. Ein
6er-Pack Dosenstrom kostete 1952 ab Kraftwerk 1,80 DM.
Mitte der 50er Jahre erlebte der Dosenstrom seine Blütezeit. 98% aller
Essener Haushalte waren in dieser Zeit Dosenstrom-Verbraucher. Mit der
zunehmenden Ausstattung der Haushalte mit Elektrogeräten waren die Tage des
Dosenstroms gezählt.
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Als Ende der 50er Jahre aus Amerika die ersten
strombetriebenen Kühlschränke über den großen Teich auch bis nach Essen
kamen, stieß die Dosenstrom-Versorgung an ihre Grenzen. Für den Betrieb eines
80-Liter-Kühlschranks waren täglich bis zu 12 Dosen Strom erforderlich.
Das war die große Stunde von Alfred Leitung. Nach langwierigen Versuchen in seinem
elektrotechnischen Forschungslaboratorium entwickelte er den nach ihm benannten
Leitungs-Strom. Die praktische Nutzanwendung des Leitungsstroms lag auf der
Hand. Das mühevolle Schleppen des schweren Dosenstroms wurde überflüssig. Der
Siegeszug des Leitungsstroms verdrängte den Dosenstrom in kürzester Zeit aus den
Haushalten. Bereits 1963 war ganz Essen dosenstromfrei.
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Dosenstromwerbung aus dem Jahr 1953
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Im Zuge der Strommarktliberalisierung wurde das alte, traditionsreiche Produkt Ende der 90er Jahre wiederentdeckt und entwickelt sich in jüngster Zeit zunehmend zu einer Alternative zum Leitungsstrom. Möglich machte dieses noch wenige Jahre zuvor für unmöglich gehaltene Comeback der Einzug stromsparender Geräte in die europäischen Mittelschichthaushalte und die Entwicklung gewichtsreduzierter Dosenkonstruktionen sowie eines attraktiven Sortiments maßgeschneiderter Gebindegrößen. So konnten nicht nur die Nachteile des historischen Dosenstroms überwunden, sondern auch seine Vorteile gegenüber der schwerfälligen, netzgebundenen Energieversorgung überzeugend zur Geltung gebracht werden.
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